Am Wochenende fand pandemiebedingt die Nebula-Konferenz der Science Fiction und Fantasy Writers of America zum dritten Mal online statt. Sonntags sprach das halbe Internet im Zusammenhang mit dieser Konferenz von Cancel Culture. Was war passiert und was gibt es, meiner Meinung nach, dazu zu sagen?
Bei diesem Beitrag handelt es sich um das Blog-Archiv eines Threads auf Twitter.
Er wurde mit allen darin enthaltenenen (Tipp- und Rechtschreibe-) Fehlern übernommen.
Inhalte können inzwischen veraltet oder überholt sein.
Der Beitrag sollte immer im Kontext der Ereignisse gelesen werden, in dem der ursprüngliche Thread auf Twitter entstand.
Da bin ich ins Konferenz-Koma gefallen, nur um dann hinterher mitzubekommen, was ich alles verpasst habe. z.B. den Vorfall während der @sfwa Nebula-Konferenz, der auf Twitter nun mal wieder unter den Vorzeichen einer angeblichen “Cancel Culture” diskutiert wird.
Und am heftigsten wohl von Menschen, die an der Konferenz nicht teilgenommen haben.
Insgesamt finde ich den Missklang während einer ansonsten sehr coolen Konferenz schade und die Diskussion außerhalb eher anstrengend. Es wollen daher ein paar Worte dazu raus.
Was ist passiert?
Nur kurz und ohne Namen, weil es mir nicht um die beteiligten Personen geht, sondern um den Umgang damit, Erwartungshaltungen, Narrative und Reflexe.
Ein Mitglied eines Panels, also einer kleinen Diskussionsrunde, die normalerweise auf einer Bühne stattfindet, wurde von der Konferenz ausgeschlossen, weil sie den Verhaltenskodex verletzt hatte. Sie hatte einen rassistischen Begriff genutzt. Nicht so extrem wie das N-Wort.
Aber ein doch historisch aufgeladener Begriff. Wahrscheinlich wurde er nicht absichtlich genutzt, sondern war etwas, das 'eben so rausgerutscht' ist.
Auf jeden Fall war es unsensibel.
Eine Teilnehmerin — weiß nicht ob direkt eine Diskussionsteilnehmerin oder eine Zuschauerin — fühlte sich davon stark mitgenommen und auch schlicht um den Spaß gebracht.
Es wurde also in der Folge nach dem niedergeschriebenen Verhaltenskodex gehandelt und die aussprechende Person von der weiteren Teilnahme an der Konferenz bzw. Beteiligte an weiteren Panels ausgeschlossen.
Bei dieser Autorin handelt es sich um eine etablierte, gut vernetzte und entsprechend einflußreiche Person.
Ich erwähne das aus einem bestimmten Grund, aber gebt mir noch einen Moment, bis ich erkläre warum.
Die zwei Positionen, die auf Twitter den Ton angeben sind:
1. Das ist übertrieben. Sie ist alt. Das kann mal passieren. So geht man nicht mit Menschen um. Das ist keine gute Fehlerkultur. Das ist Cancel Culture.
Garniert mit versammeln hinter der Betroffenen "I stand by XXX".
2. XXX war schon immer eine Rassistin (+ ein aufzählen all ihrer Fehler und schlechten Tropes aus ihren Büchern). Gut, dass sie rausgeworfen wurde.
Persönlich finde ich beide dieser Positionen eher unangenehm und beide weisen meines Erachtens auf eine mässige Fehlerkultur hin
Ich weiß leider (oder zum Glück) nicht, ob oder wie die ausgeschlossene Autorin darauf reagiert hat. Aber ich sage mal, wie eine Autorin in einer idealen Welt darauf reagieren würde:
Schlucken. Möglicherweise offline wüten, toben und sich ungerecht behandelt fühlen und sich dann aber am Riemen reißen und sagen: "Es war keine Absicht, aber, ja, I messed up. Und ich nehme diese Konsequenz an ohne negative Gefühle gegenüber denen, die sie aussprechen mussten.
Es war mein Fehler und nur meiner. Ich habe Menschen verletzt und ich möchte um Entschuldigung bitten. Ich werde tun, was ich kann um die Schmerzen, die ich verursacht habe zu lindern. Dazu werde ich, mit etwas Abstand, das Gespräch mit den betroffenen Personen suchen."
Für eine solche Reaktion braucht man aber auch eine gewisse persönliche Reife und vor allem muss man, denke ich, verstanden haben, was eine Organisation wie der @sfwa versucht, mit einer strikten Durchsetzung von Regel auch gegenüber etablierten Autoren versucht zu erreichen.
Ich würde fast sagen: gerade gegenüber etablierten Autor:innen und eben nicht nur gegen einen Troll-Teilnehmer den man rauswerfen kann, ohne, dass es für die Organisatoren einer solchen Veranstaltung persönlich unangenehm wird.
Erstens will die @sfwa eine Organisation sein, die sowohl ein offenes als auch ein niedrigschwelliges Angebot an Nachwuchsautoren ist. Und er möchte auch eine inklusive Organisation sein.
Eine Organisation, in der und auf deren Veranstaltungen sich auch völlige Newbies sicher und willkommen fühlen können, weil es eben keine Sonderrechte und Extrawürste für etablierte Mitglieder gibt.
Eine Organisation, bei der eben nicht gesagt wird "Ach, den XXX den kennen wir so lange und wir wollen auch nicht auf seine schlechte Seite kommen, weil er kennt ja so viele Leute und hat Einfluß in unserer Industrie & er hat ja nur einer jungen Neuautorin an den Busen gefasst.
Die soll sich also mal nicht so haben. Ist doch toll, wenn jemand so wichtiges sie überhaupt beachtet."
Kurz: Was die @sfwa erreichen will, ist den Schaden zu minimieren, der entsteht, wenn man Menschen mit Einfluß, mit vielen Privilegien also, alles durchgehen lässt.
In dem man alle am gleichen Standard misst und eben nicht sagt: "Ach, das war ja nicht so schlimm. Da müssen wir bei einer etablierten beliebten Autorin mal nicht so hundertprozentig sein, sondern üben Nachsicht."
Daher: So sehr ich für eine gute und nachsichtige Fehlerkultur bin (und diese selbst oft genug brauche, weil ich oft genug Scheiße baue) so gut kann ich die @sfwa verstehen, dass sie hier die Regeln durchgesetzt haben.
Man kann nur entweder eine Organisation haben, die offen und sicher für alle ist, oder eine Organisation, in der sich etablierte Mitglieder mehr erlauben können, als alle anderen.
Und weder sich nun hinter der betroffenen Autorin zu versammeln und ihr zu versichern, dass sie ganz doll gemein behandelt wurde, als auch ihr jetzt alle Fehler einer 50+ jährigen Autorenkarriere vorzuhalten, werden dem Ziel, eine gute Fehlerkultur zu schaffen, gerecht.
Fertig. Thanks for coming to my TED Talk.
Originally tweeted by Mela Eckenfels (@Felicea) on 23. May 2022.
Man sieht, meines Erachtens auch hier: Wer “Cancel Culture” sagt, meint “Ja, diese Sache ist passiert. Aber ich finde, die verantwortliche Person sollte keine Konsequenzen tragen müssen”.