Info Dieser Beitrag entstand zuerst als Antwort auf der Frage-und-Antwort-Plattform Quora. Er wurde mit allen Fehlern und Tippfehlern ins Blog übernommen. Fehler und Tippfehler in der Frage sind die Fehler des ursprünglichen Fragestellers
Nein.
Es gibt nur drei Lesarten, die das Mittelalter oder dessen Geschichte als “verloren” bezeichnen.
- die Lesart, das Mittelalter sei ein verlorenes Zeitalter gewesen, in dem es keinen sozialen, gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Fortschritt gab. Diese Lesart entstand während der Renaissance und diente der Selbsterhöhung der Zeitgenossen. Verstärkt wurde er nochmal im 19. Jahrhundert, in denen die damaligen Geschichtschreiber die Deutung der Renaissance übernahmen und bis in die Schulbücher des 20. und teils sogar noch des 21. Jahrhunderts trugen.
Tatsächlich wies das Mittelalter deutliche Forschritte auf. Zum Beispiel wurden die ersten großen Universitäten im Mittelalter gegründet und große Denker wie William of Ockham, quasi einer der Urväter der wissenschaftlichen Methode, waren Zeitgenossen des Mittelalters.
Außerdem lässt sich die Mär vom dunklen Mittelalter maximal dann halten, wenn man sie eurozentristisch betrachtet. Unser angeblich dunkles Mittelalter war das goldene Zeitalter des Islam.
(Deswegen, liebe Leute, wenn ihr z.b. die Taliban dissen wollt, nennt sie nicht ‘mittelalterlich’. Dann würdet ihr nämlich in Wirklichkeit sagen, dass sie eine neue Blüte des Islam sind.) - Es gibt Phasen des Mittelalters, aus denen wenig schriftliche Quellen überliefert sind. Z.b. brachen die meisten mittelalterlichen Chroniken irgendwann um das Jahr 1350 ab und wurden erst Jahre später fortgesetzt. Die Chronisten waren nicht selten an der Pest gestorben.
Da ich eine Langzeitrecherche führe, die genau die Jahre 1348–1352 umfasst, kann ich ein Lied davon singen.
Aber immerhin gibt es noch die materielle Kultur, die Rückschlüsse auf historische Ereignisse aus Gegenständen zu ziehen versucht. - Die sogenannte Phantomzeit-These. Demnach sollen dreihundert Jahre des Mittelalters erfunden worden sein. Allerdings ist die These in den Reich der Mythen zu verweisen und besitzt keine wissenschaftliche Legitimität.
Interessant dazu, sind die Podcastfolgen von “Our Fake History”: