Im Februar ist Vera Bunse gestorben. Wem der Name nichts sagt: Vera war eine freie Journalistin und seit über einem Jahrzehnt sehr aktiv auf Twitter.

Das war auch ihr hauptsächliches Outlet, nach ihrem unfreiwilligen Abschied von “Carta”, einem Online-Medium, dass seitdem vielleicht gerechterweise nur noch unter ferner liefen herumdümpelt, aber nicht mehr eines der spannensten Medienprojekte im deutschsprachigen Raum ist, wie es unter Vera und dem Chefredakteur Wolfgang Michal war.

Ihre Reichweite auf Twitter war, den Zahlen nach, klein. Ihre reale Reichweite, ihr Einfluß auf andere Menschen war deutlich größer.

Vera gehörte zu den Menschen, die das Leben vieler Menschen berühren, ohne darüber Worte zu verlieren. Sie war unvergleichlich in der Lage ihre Gedanken klar zu formulieren und Perspektiven sichtbar zu machen, die nicht jeder von sich aus sehen und finden konnte. Sie hat auf diese Weise Impulse gesetzt, Dinge in Frage gestellt, aufgerüttelt und sicher den einen oder anderen auch zum Denken gebracht.

Sie war ein Mensch, den man unbedingt in seinem Team für die Zombieapokalypse haben wollen würde. Weil sie im Hintergrund das ganze Team zusammenhält, während sie Peptalks hält um die Situation erträglich zu machen und um gleich darauf mit wohlgesetzten Worten die Köpfe zu waschen, die eine Wäsche dringend nötig haben.

Sie war auch nie geizig mit Rat oder Unterstützung, wenn sie Kollegen unterstützen konnte, wenn sie — im Rahmen ihrer Möglichkeiten — Chancen öffnen konnte.

Sie war in der letzten Zeit, während ihre Gesundheit abbaute, stiller geworden aber immer noch jemand, dem man zuhören wollte und der zum Nachdenken und zum Perspektivwechsel anregte.

Ich hab mich in den vergangenen Tagen öfter mal bei dem Gedanken erwischt “Was hätte Vera dazu gesagt?” oder auch “das hätte Vera schön auseinandergenommen”. Sie fehlt. Ihre Impulse fehlen.

Und noch etwas anderes fehlt.

Denn obwohl ihre Followerschar klein war, bestand sie doch zu einem guten Teil aus Medienmenschen und Multiplikatoren. Die Impulse die sie gesetzt hat, ihr Einfluss, haben unter Garantie direkt oder nach etwas fermentieren ihren Weg in Projekte, Ideen und Texte gefunden.

Nichts davon hat sich aber in Erfolg oder breite Bekanntheit für sie persönlich übersetzt. Es standen nach ihrem Abschied bei Carta keine Medien Schlange, die ihr einen Redaktionsjob angeboten hätten. Auch ihre Einsicht in Zusammenhänge, ihre pointierten Analysen, ihre einmalige Perspektive … sie brachten ihr keinen Platz auf Podien ein, kein Blog bei der FAZ, keine Kolumne beim Spiegel.

Die Chance gibt es nur für Menschen mit mehr Selbstvermarktung und mehr Ellenbogen. Die zwar in einigen Fällen in ihrem Leben noch keinen originellen Gedanken hatten, der nicht schon von tausenden anderer Menschen zuvor gedacht und niedergeschrieben worden wäre — looking at you, Fleischhauer — die aber weit weniger weiblich sind, weniger arm, weniger alt, weniger krank und die weniger krumme Biografien haben.

Für die Größen der Medienszene, wird es, trotz — und weil — sie viel beliebiger sind, als es Vera war, nach dem Tod seitenlange Nachrufe in den Medien geben.

Für und von Vera bleibt, dass sie mit ihrer Haltung und einem stabilen moralischen Kompass Vorbild war, richtungsweisend und weit wichtiger, als ihre Reichweite vermuten lässt.

Lass diese Erinnerung den Schmerz lindern.



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