Warum Intelligenz eben kein Garant dafür ist, immer richtig zu liegen und warum gerade eine hohe Intelligenz ohne Disziplin beim Denken, das Rezept für Verschwörungsglauben ist.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um das Blog-Archiv eines Threads auf Twitter.
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Der Beitrag sollte immer im Kontext der Ereignisse gelesen werden, in dem der ursprüngliche Thread auf Twitter entstand.
Nochmal kurz was zu Intelligenz und Impfgegnertum bzw. Verschwörungsanhängerschaft:
Ein Diskutant brachte gestern seinen IQ von 130+ als Argument vor, dass er es eben besser wissen würde, als die dummen Impfgläubigen.
Er argumentierte außerdem für die Anwendung von Ivermectin und war auch in der Lage ein paar Wirkmechanismen zu nennen.
Nur, was die meisten intelligenten Leute haben ist: ein gutes Gedächtnis.
(Ganz ehrlich, ich bin mir nicht sicher, wie viel meines IQ in Wirklichkeit die Fähigkeit ist, mir auch obskure Wissensschnipsel in die Hirnwindungen einzubrennen um sie Jahrzehnte später bei einer passenden Gelegenheit aus dem Hut zu zaubern.)
Und dieses gute Gedächtnis macht intelligente Menschen auch zu guten Blendern. In diesem Fall hat die Person genau die gleiche Strategie angewendet, die ich in der Form auch schon in der Diskussion mit z.B. Jim Humble gesehen habe.
Es wird ‘Techbabble’ in die Diskussion geworfen, dass ohne sich in dem jeweiligen Fachbereich auszukennen, nicht widerlegt werden kann.
Im Falle von Jim Humble war das Techbabble eine freie Erfindung. Es klang wie eine Szene einer Star Trek-Folge. Sehr souverän und wichtig.
Ein Monolog der dann üblicherweise mit einem “so machen wir es” endet.
Im Falle des Diskutanten gestern, gehe ich davon aus, die Aussage trifft sogar zu.
Nur: er hat merklich nicht verstanden, was er da eigentlich sagt.
Weil es nur Namedropping ist, aber er Zusammenhänge und Abhängigkeiten nicht kennt.
Und an der Stelle wird seine Intelligenz (so die Eigenaussage zutrifft) zum Problem.
Ich garantiere, dass die Mehrheit der hochbegabten Menschen, auch jene die sehr tiefe Selbstzweifel empfinden, dennoch so ein klitzekleines Problem mit Hybris haben.
Das kommt einfach, wenn man merkt, dass man bereits drei Ecken weitergedacht hat, während die Mehrheit im eigenen Umfeld noch nicht mal den initialen Gedanken voll ausformuliert hat.
Und nicht alle haben das Glück irgendwann mal in ein Umfeld zu kommen, in dem Menschen sind, denen sieht man dann nur noch beim Denken hinterher. Und viele, viele andere Menschen, die genauso schnell sind wie man selbst. Das nordet die Hybris irgendwann ganz okay ein.
Passiert das nicht, kann es durchaus soweit kommen, dass man anfängt, die eigenen Fähigkeiten weit zu überschätzen. Das man nicht mehr merkt, dass man bei Thema X nur die Oberfläche gekratzt hat und nun auf einmal glaubt, deswegen das Thema auch durchdrungen zu haben.
Und auch, dass man andere Menschen permanent unterschätzt. Weil man einfach gewohnt ist, der Überflieger zu sein und das dann auch auf eine völlig andere Bevölkerungsgruppe extrapoliert, als z.B. das eigene Dorf, die eigene kleine Provinzschule, etc.
Intelligenz alleine ist echt keine gute Vorraussetzung für die Fähigkeit zur Selbstkritik, für kritisches Denken, für Bescheidenheit und Zurückhaltung.
Deswegen ist Intelligenz alleine nicht viel wert. Sie ist ein gutes Team zusammen mit Bildung. Aber auch Bildung reicht nicht.
Intelligenz braucht die Fähigkeit zur Selbstreflektion, sonst ist eine hohe Intelligenz nur die Angabe der potenziellen Fallhöhe.
Intelligenz braucht _Disziplin_ beim Denken.
Je mehr Intelligenz um so dringender ist Disziplin, ständiges Sich-Selbst-Hinterfragen und die Fähigkeit, Kritik anzunehmen.
Ein bisschen Name-Dropping hier und da schadet nicht. Denke ich. Hoffe ich. Dessen mache ich mich nämlich auch schuldig. Aber ich versuche dennoch mir und meinen Grenzen gegenüber ehrlich zu sein. Das ist nicht leicht.
Aber im oben genannten Fall, wäre es für die Person wichtig, sich klar zu machen, dass das Wirkprinzip von Ivermectin zu kennen, ihm alleine noch nicht die Fähigkeit gibt, den Nutzen einzuschätzen.
Er kann damit Unwissende blenden, ja. Aber einmal sehen Leute, die ähnliche Hacks nutzen ooder nutzten, um zu klingen, als könnten sie mitreden, durch die Fassade hindurch. Und jeder, der minimal besser informiert ist, identifiziert die Aussage als ignoranten Blödsinn.
Kontext ist eben King. Und in diesem Fall ist es super, wenn Ivermectin Hassenichgesehen-Dingsbumms blockiert. Aber die Frage, ob ein Medikament wirkt, hängt ja auch noch davon ab, ob man es in ausreichender Konzentration _im Körper_ dorthin bekommt, wo man es braucht.
Und ob es dabei den Körper nicht nebenbei umbringt. Oder erblinden lässt, wie aktuell einige Impfgegner in den USA erfahren.
Eigentlich hätte er dazu sogar nur diesen Comic kennen müssen:
tl;dr
Intelligenz alleine macht nicht schlau. Wissen macht schlau. Informiert sein macht schlau. Demut macht schlau. Die eigenen Grenzen zu kennen macht schlauer. Disziplin des Denkens und Selbstreflektion muss sein. Je mehr Leistung unter der Haube ist, um so dringender.
Originally tweeted by Mela Eckenfels (@Felicea) on 10. September 2021.
Wenn Dir dieser Thread gefallen hat und Du den vorausgehenden Thread über die Geschichte lesen möchtest, wie ich dann doch nicht dem Verein “Mensa” beigetreten bin, findest Du ihn auf meinem anderen Blog oder auf Twitter.
Ein Hörtipp zum Thema Intelligenz und die Gefahr, sich als intelligenter Mensch erst recht in Verschwörungserzählungen zu verlaufen, ist der Podcast “You Are Not So Smart” und dessen Episode 016.