Info Dieser Beitrag entstand zuerst als Antwort auf der Frage-und-Antwort-Plattform Quora. Er wurde mit allen Fehlern und Tippfehlern ins Blog übernommen. Fehler und Tippfehler in der Frage sind die Fehler des ursprünglichen Fragestellers

Mindesthaltbarkeitsdaten oder Verzehrempfehlungen sind keine “Ab sofort tödlich”-Daten.

In 99,99% aller Fälle passiert daher nichts.

Aber:

Solche Empfehlungen werden nicht grundlos auf Verpackungen geschrieben. Bei Zitronensaft reden wir von einem Naturprodukt, das entsprechend für Verderb anfällig ist. Weit früher, als dass ein sicht-, riech und schmeckbarer Verderb eintritt.

Zwar waren die Produktions- und Abfüllbedingungen, mit etwas Glück, so steril wie möglich, aber Naturprodukte sind nicht steril, unsere Wohnungen sind nicht steril, unsere Kühlschränke sind nicht steril, Deine Finger sind nicht steril und unsere Raumluft ist nicht steril.

Also kommt spätestens beim Öffnen der Flasche Luft an den Zitronensaft und damit auch alles, was in der Luft deiner Wohnung an Bakterien, Viren und Pilzsporen in der Luft herumwirbelt.

Wenn Du unsauber gearbeitet hast, z.B. einen Schluck direkt aus der Flasche genommen hast, bevor du sie wieder zurückstellst oder mal zum Test abgeleckt hast, wie sauer der Saft wirklich ist, wenn Du geniest hast, während Du die offene Flasche in der Hand gehalten hast oder wenn Du die Öffnung mit dem Messer erweitert hast, mit dem Du zuvor das den Fisch geschnitten hattest, dann bekam die Flasche und damit der Saft sogar eine Keimbombe ab.

Nach dem ersten Öffnen kommt die Flasche wieder zurück in den Kühlschrank. Das ist gut, denn die mindestens 7 Grad Celsius oder weniger darin, verlangsamen das Keimwachstum.

Deswegen gibt es heute seltener bestimmte Magen- und Darmkrebsarten, weil wir dank Kühlschrank auf manche problematische Haltbarkeitsmethode verzichten können und wir aber auch generell seltener stark keimbelastete Lebensmittel zu uns nehmen.

Nicht so gut ist es, entsprechend, wenn die Flasche bei Zimmertemperatur draussen stehen bleibt. Dann ist der Saft nach drei Tagen vermutlich verdorben, riecht und schmeckt unangenehm oder schimmelt sogar. Jedenfalls wäre das olfaktorische und geschmackliche Erlebnis vermutlich so unangenehm, dass die Information, den Saft nach drei Tagen spätestens zu verbrauchen, unnötig wäre.

(Allerdings ist auch die Geschmackswahrnehmung stark individuell entwickelt und manche Leute schmecken auch bei leicht verdorbenen Lebensmitteln noch nichts auffälliges.)

Anyway, zurück zu dem Saft, der in den Kühlschrank gestellt wurde.

Nochmal zusammengefasst: Naturprodukt, plus idealerweise gute Produktionsbedingungen und ein Haushalt, in dem man sich an Hygienemindeststandards bei der Zubereitung von Essen hält, plus eine Umgebung, die Verderbnisprozesse hemmt (Kühlschrank).

Hemmen bedeutet aber eben nicht: Unterdrücken.

Das bedeutet, während die Flasche ruhig und unangetastet im Kühlschrank steht, vermehren sich mit jeder vergangenen Sekunde Keime. Das ist ein stetiger Prozess, der nicht an Tag 3 beginnt, sondern im Prinzip mit dem Zeitpunkt der Produktion.

Da die Abfüllung aber unter bestimmten Bedingungen passiert, und in den Flaschen zumeist ein Unterdruck herrscht — also der Sauerstoff fehlt, der für die meisten Keime (abgesehen von anaeroben Keimen, die gerade Sauerstoffmangel voll super finden) — finden diese Prozesse bis zur ersten Öffnung wirklich seeeehr langsam statt.

Durch das Öffnen der Flasche kam, wie gesagt, Sauerstoff hinein und zusätzliche Keime und das Keimwachstum findet nun verstärkt statt.

Die Aussage der Hersteller, dass Du den Saft nach drei Tagen im Kühlschrank nicht mehr benutzen sollst, geht auf Experimente zurück, bei denen die Keimbelastung unter unterschiedlichen Bedingungen getestet wurde.

In dem Moment sagen Hersteller also: Nach drei Tagen gehen wir im Regelfall davon aus, dass der Zeitpunkt, ab dem die Keimbelastung so hoch ist, dass man den Saft nicht mehr als gesundheitlich unbedenklich bezeichnen kann, kurz bevorsteht.

Aber: Wenn Du den Saft dennoch weiter benutzt, wird erst mal nicht viel passieren. Nicht, wenn Du erwachsen bist, weitgehend gesund, dein Immunsystem nicht durch eine Krankheit, wie AIDS, oder Medikamente beeinträchtigt ist und Du den Saft z.B. an eine Sauce gibst, die ohnehin über 60 Grad erhitzt wird.

Aber wenn Du ein paar Spritzer Zitronensaft in das Wasser gibst, dass für ein Baby oder ein Kleinkind gedacht ist und die Babyflasche dann noch ein paar Stunden mit dem Baby bei Zimmertemperatur — oder schlimmer Sommertemperaturen — herumgetragen wird, während es immer mal wieder einen Schluck davon nimmt … dann könnte es sein, dass sich ein für das Baby sehr gefährlicher Keim in der Zeit soweit vermehrt hat, dass es heißt: Next Stop pädiatrische Notaufnahme.

Immer, wenn ein möglicherweise schon grenzwertig keimbelastetes Produkt dann noch eine Weile lauwarm/warm rumsteht oder wenn es nicht noch erhitzt wird oder Menschen mit schwachem Immunsystem gegeben wird, sind nun Lebensmittelvergiftungen ohne und mit Todesfolge möglich.

Auch für Menschen mit normalem Immunsystem heißt es, dass das Immunsystem zwar mit der Keimbelastung noch fertig werden wird … aber man ist eigentlich angeraten dem Körper keine unnötigen Aufgaben aufzuhalsen, wenn man es vermeiden kann.

Deswegen waschen wir auch unser Geschirr und Besteck, nachdem wir es benutzt haben, statt es einfach mal kurz trocken abzuwischen und nur alle 2–3 Mal gründlich zu reinigen.


Und noch etwas, um schlechte andere Antworten auf diese Frage zu debunken: Bei vergorenen Lebensmitteln reden wir im Allgemeinen nicht von Lebensmitteln, die durch irgendwelche Keime schlecht geworden sind, sondern solche, die unter Zusatz ganz spezieller Keime, nämlich meist Milchsäurebakterien, und unter Wahrung ganz bestimmter Umstände, vergoren wurden.

Auch beim Vergären von Zucker zu Alkohol ist nicht jedes Stadium genießbar oder unbedenklich.

Der meiste umgekippte Saft ist einfach nur schlecht und nicht magisch über Nacht zum Gourmetprodukt mutiert.

tl;dr:

  • frischer Zitronensaft ist nach drei Tagen nicht giftig
  • mit normalen menschlichen Sinnen kannst Du die zunehmende Verkeimung von Naturprodukten — vor dem Moment des endgültigen Verderbens — nicht wahrnehmen. Daher geben Hersteller einen Zeitpunkt an, knapp bevor unter normalen Umständen die Keimbelastung ein vernünftiges Maß überschreitet.
  • Gefährlich ist der Saft dann für die meisten Menschen immer noch nicht. Aber für Babies, Kleinkinder, kranke oder alte Menschen kann das Gesundheitsrisiko bereits enorm sein.

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