Für meine Kommilitonen im Seminar “Beyond History. Historische Praktiken jenseits der Geschichtswissenschaft” habe ich eine Übersicht zusammengestellt, welche Ressourcen es gibt, um sich über Raubverlage und Raubjournals zu informieren und die Seriosität wissenschaftlicher Publikationen einzuschätzen. Nachdem ich davon ausgehe, dass diese Informationen noch mehr Menschen als nur die Seminarteilnehmer interessieren dürfte, veröffentliche ich eine leicht modifizierte Version im Blog.

Ein anonymer Mirror der originalen “Beall’s List”, also der Liste des Bibliothekars Jeffrey Beall, die 2015 vom Netz genommen wurde, nachdem mdpi den damaligen Arbeitgeber Bealls, die University of Colorado Denver, unter Druck gesetzt hatte. Die Seite bietet auch eine Liste zu einem begleitenden Problem der Raubverlage: Raubkonferenzen. Da das Original 2015 vom Netz ging, ist diese Liste nicht auf dem aktuellen Stand. 

Auf der Seite Journal Evaluation Tool kann man sich ein PDF herunterladen (oben rechts), das Kriterien enthält, anhand derer man die Seriosität eines Journals bewerten kann. Das ist vor allem dafür gedacht, nach zuverlässigen Journals für eigene Publikationen zu suchen, von daher ist es für Publikationen in der Technikgeschichte nicht so nützlich, da es nur eine überschaubare Anzahl relevanter Journals gibt. Aber man kann es auch nutzen, um anhand der Kriterien Paper zu bewerten, die man z.B. in der eigenen Arbeit zitieren will. 

Den gleichen Ansatz verfolgt die Seite “Think. Check. Submit.”
Hier kann man sich durch Fragen durchklicken und bekommt die Einschätzung eines Journals ausgegeben. 

Die “Web of Science Master List” bietet eine Liste mit wissenschaftlichen Journals und deren Metriken. Um einschätzen zu können, was die Metriken aussagen, muss man sich ein bisschen in das Thema einfuchsen. Allerdings gibt es etwas, dass die “Web of Science Master List” auch ohne Vorwissen sehr hilfreich macht: Clarivate, das Unternehmen hinter dem “Web of Science” delistet Journals, die als problematisch auffallen. 
Da das Web of Science als sehr zuverlässige und relevante Quelle gilt, ist es eine dicke, fette, rote Warnleuchte, wenn ein (englischsprachiges) Journal nicht in der Master List auftaucht. Das ist juristisch geschickter, als Beall’s List, die nur problematische Journals aufführte. Beim WoS werden diese dagegen weggelassen. 

Nicht englischsprachige Journals werden beim Web of Science allerdings nur selten erfasst. Ein fehlen deutschsprachiger Journals in der Master List hat daher nicht die gleiche Aussagekraft.

Eine ausgezeichnete und ausführliche deutschsprachige Besprechung des Themas findet man bei PUBLISSO, einem Open-Access-Publikationsportal für die Lebenswissenschaften.

Auch das Directory of Open Access Journals delistet Journals, die durch besonders problematische Praktiken aufgefallen sind, bzw. nimmt sie gar nicht erst auf. Da aber auch das Gelistetwerden im DOAJ-Verzeichnis eine gewisse Qualitätsgarantie verspricht, gibt es Open Access Journals, die behaupten, sie wären im DOAJ gelistet, obwohl sie nicht sind. Dieses Google Spreadsheet bietet eine Übersicht über Journals, die vorgeben, im DOAJ vertreten zu sein, ohne es tatsächlich zu sein. Allerdings habe ich schon häufiger Journals, die ich persönlich als definitiv predatory einschätzen würde, im DOAJ gelistet gesehen. Fehlverhalten muss daher schon extrem deutlich sein, um nicht im DOAJ-Verzeichnis gelistet zu sein. 

In der englischsprachigen Wikipedia findet man eine Liste mit Journals, die in der Vergangenheit Nonsense-Paper angenommen haben. Dort wird also ohne jegliche Prüfung wirklich alles publiziert. Da die meisten Raubverlage aber doch zumindest dem, was sie publizieren, zumindest einen halben Blick widmen, ist die Liste eher überschaubar. 

Die Liste der “nichtempfohlenen Publikationen” bei Quackwatch enthält vor allem problematische Journals aus der Medizin, generell den Lebenswissenschaften und angrenzender Bereiche. Das Blog beschäftigt sich vor allem mit (medizinischer) Quacksalberei und klärt über unseriöse Geschäftspraktiken im Gesundheitsbereich und seinen Grenzbereichen auf, daher der Fokus. Generell eine sehr gute Webseite, wenn man sich über Desinformation bei medizinischen Themen und Pseudomedizin informieren möchte.

Predatory Reports ist ein anonymes Blog, das neue Erkenntnisse über Raubverlage und Raubjournals veröffentlicht. Dort findet sich auch eine Liste mit Publishern, deren Geschäftsmodell predatory zu sein scheint und eine dreiteilige Liste mit problematischen Journals. Das Blog wird anonym betrieben, da Raubverlage durchaus klagefreudig und aggressiv gegen Publikationen und Wissenschaftler vorgehen, die auf problematische Praktiken aufmerksam machen. Auf Grund der Anonymität muss man den Inhalt aber auch immer unter Vorbehalt betrachten.

Ein weiteres Blog ist “Flaky Academic Journals”. Hier sind die Einträge zu den einzelnen auffälligen Journals nicht selten ausführlich und detailreich und ermöglichen so eine eigene Einschätzung. Betrieben wird das Blog vom emeritierten Jura-Professor D.H. Kaye (PennState). 

Der Twitter-Account @fake_journals twittert Informatives über den gesamten Bereich der Raubverlage und ihr Vorgehen. Die ausführlicheren Artikel des Accounts finden sich auf dem Blog “Predatory Publishing”. Wie auch “Predatory Reports” agieren die Personen hinter  Account und Blog anonym. Es gilt daher die gleiche Vorsicht und Zurückhaltung wie bei Predatory Reports, auch wenn bisher keine unredlichen Aktivitäten aufgefallen sind.

Retraction Watch beschäftigt sich nicht in erster Linie mit Raubverlagen, sondern begleitet das gesamte wissenschaftliche Publikationswesen mit einer gesunden Skepsis und macht die Leser auf zurückgezogene Artikel aufmerksam, bzw, bietet kurze, informative Artikel zu besonders herausragenden Vorfällen.

Betrieben wird Retraction Watch vom Historiker und Wissenschaftskommunikator Adam Marcus  und dem Wissenschafts- und Medizinjournalisten und Journalismusdozenten Ivan Oransky.

Retraction Watch betreibt auch eine Datenbank mit zurückgezogenen Artikeln, über die man sich informieren kann, welche Journals besonders häufig Artikel zurückgezogen haben.

Aber, obwohl zurückgezogene Artikel für Qualitätsprobleme während der Peer-Review sprechen, ist es durchaus ein gutes Zeichen, wenn Journals Artikel überhaupt zurückziehen. Echte Predatory Journals, ohne jede Ethik und Moral, scheren sich nämlich einen Dreck drum, ob sie gefährliche Grütze veröffentlichen. D.h. Journals die Paper zurückziehen, kommen ihrer Aufgabe zumindest teilweise nach. Anders als die schlimmeren Predatory Journals. 

Die Literaturverwaltung Zotero greift automatisiert auf die Retraction Watch Datenbank zu und warnt, sobald ein im eigenen Zotero-Konto erfasster Artikel von der Veröffentlichung zurückgezogen wurde. Eventuell bieten auch andere Literaturverwaltungen das Feature, aber mit denen kenne ich mich nicht aus.

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