Der Inzidenzwert ist “trotz Impfungen” so hoch, weil es immer noch genug empfängliche Personen in der Bevölkerung gibt, aka Impfverweigerer, und die Impfungen auch keine 100%ige Effektivität gegenüber Infektionen haben.
Soweit so bekannt. Ebenfalls bekannt war, zumindest wissenschaftlich bekannt, dass man die Impfkampagne mit Maßnahmen hätte begleiten müssen. Alle impfen und hoffen, das wars, reicht nicht.
Ergo: Man hätte bei Großveranstaltungen, der Öffnung von Clubs und Bars etc. es langsam angehen müssen.
Man wollte nicht.
Oder um noch genauer zu sein: Die Entscheidungen der Politik werden seit Ende der ersten Kontaktbegrenzungsmaßnahmen im Frühjahr 2020 vor allem von Lobbies bestimmt.
Allen voran die Tourismuslobby, die Airline-Lobby, die Arbeitgeberlobby, die produzierende Großindustrie, die Öffnungen wollten, so schnell wie möglich. Die offene Schulen wollen, damit Eltern nicht als Arbeitskräfte ausfallen. Die offene Geschäfte wollen, damit konsumiert wird. Die während der ganzen Zeit der Politik ihre Wünsche mitteilten, die immer vor allem die kurzfristige Entwicklung betraf, ohne auch einmal die längerfristige Entwicklung in den Blick zu nehmen.
Seit Frühherbst 2020 steuert die Politik nur unwillig nach. Immer zu spät und immer nur gerade so viel wie es geht, um das System nicht komplett zum Zusammenbruch zu bringen.
Seit Beginn des Jahres haben sich anscheinend wirklich alle Politiker in der Phantasie gewiegt, dass wir uns einfach nur aus der Pandemie rausimpfen können und dass Maßnahmen nicht mehr nötig sein werden.
Natürlich hatten sie Daten, die das Gegenteil aussagten, aber es regierte neben Lobbyinteressen auch noch Wunschdenken. Und vor der Bundestagswahl wollte man sowieso vor allem mit positiven Botschaften punkten können, statt zugeben zu müssen, das wir uns bereits seit dem Juni, spätestens Juli wieder in der exponentiellen Entwicklung befinden und erneut Einschnitte nötig sein werden.
Statt dessen untersagte man lieber sogar Masken in den Schulen, verzichtete darauf in HEPA-Filter zu investieren und ließ sich die Politik von Menschen bestimmen, die behaupten, dass die armen Kinder im Unterricht ersticken.
Besonders die FDP tat sich (abgesehen von der AfD, die keine Partei ist sondern eine Selbsthilfegruppe der Dauerempörten und Rumopfernden) einerseits mit wissenschaftsfeindlichen Aussagen, Angriffen auf Wissenschaftler und unhaltbaren Versprechungen hervor. Diese Versprechungen an ihre egoismusgetriebene Wählerschaft scheinen sie nun einlösen zu wollen.
Die Beendung der “epidemiologischen Lage von nationaler Tragweite” ist eine politische Entscheidung.
Die Kontaktbeschränkungen im Frühjahr 2020 waren eine epidemiologische Entscheidung. Die einzig sinnvolle Maßnahme in der gegebenen Situation. Erst mal dem Virus die Möglichkeit zur Verbreitung entziehen, sich Zeit verschaffen und einen Überblick verschaffen, wie schlimm es wirklich ist und was wir weiterhin tun müssen.
Alle weiteren Entscheidungen, teilweise sogar oberflächlich wissenschaftliche Veröffentlichungen, wie die Heinsberg Studie – mit der bewiesen werden sollte, dass bereits viel mehr Menschen infiziert waren, als bekannt ist und damit quasi Herdenimmunität schon erreicht oder in Kürze erreichbar – waren politisch.
Seit Herbst 2020 auf Kante zu fahren und die Inzidenzen gerade immer so zu halten, dass das medizinische System kurz vor dem Zusammenbruch steht aber nicht ganz zusammenbricht: politisch.
Denn das hätte auch ganz böse ins Auge gehen können.
Alles auf die Impfungen zu setzen: politisch.
Sich und den Wählern Wunder zu versprechen: politisch.
Die “epidemiologischen Lage von nationaler Tragweite” zu beenden: politisch.
Epidemiologisch sind das alles strunzdämlich-vollpfostige Entscheidungen von Menschen, die anscheinend nicht mal simpelste Exponenzialrechnung beherrschen, ohne dabei einen Berater konsultieren zu müssen.
Wie passt das also zusammen?
Gar nicht.