Nein.
Wissenschaftliche Theorien müssen eine fundierte Basis haben. Das heißt, sie brauchen zutreffende Anknüpfungspunkte, an das, was wir bereits, was wir bereits messen und was wir bereits beobachten können.
WIssenschaftliche Theorien können auch bisher sicher geglaubtes Wissen über den Haufen werfen. Aber wenn sie das wollen, müssen sie sehr, sehr fundiert sein und auch der kritischsten Überprüfung stand halten.
Die Ideen von Einstein waren für seine Zeit revolutionär, erschlossen sich nicht Jedem und der Beweis stand noch aus, aber seine Theorien hatten eine innere Logik. Sie waren schlüssig. Sie erweitern das bisherige Wissen extrem, aber die Anknüpfungspunkte waren vorhanden und waren solide.
Einstein war ein Physiker, der die Grundsätze, die Naturgesetze kannte und auf dieser Basis aufbauend plausibel noch nie vorher Gedachtes denken konnte.
Reich dagegen war Psychiater, Sexualforscher und Soziologe. Und aus dieser Position heraus versucht er nun naturwissenschaftliche Phänomene zu erklären.
Das ist immer ein bisschen schwierig, denn was dann sehr oft passiert ist folgendes: Eine durchaus schlaue Person versucht sich etwas aus einem Fachgebiet zu erklären, von dem sie selbst allenfalls oberflächliche Kenntnisse hat. Weder kennt die Person die Grundlagenliteratur, noch hat die mathematischen Fähigkeiten, noch die Laborfähigkeiten, noch sonstige praktische Fähigkeiten die man sich im Studium dieser Fachrichtung aneignet.
Dabei findet sie dann eine Erklärung, die sich plausibel anhört und wirklich _alles_ zu erklären scheint. Nur dummerweise sind da keine Anknüpfungspunkte zu dem, was die Menschen auf dem Feld bereits wissen.
Man müsste beide Augen fest zukneifen und ignorieren, dass man das, was man bisher gesichert weiß, mit dem Vorschlaghammer zurechtdengeln müsste, damit diese neue Theorie halbwegs passt. Aber dann sind da immer noch Lücken und es wackelt und knirscht.
Kurz, es ergibt keinen Sinn. Da kommt, um das jetzt sehr zu vereinfachen, jemand an und sagt: Der Himmel ist grün und es regnet Fleischbällchen.
Naturwissenschaftler schauen dann kurz konsterniert und sagen prägnant “Nein”, wenn sie höflich sind und “Nein, und nun raus hier”, wenn sie es nicht sind.
Was dann oft passiert ist, die Person ist aber schon so mit seiner Idee verheiratet, dass sie sich gar nicht der Überprüfung oder Kritik durch die Leute stellen will, die das Gebiet tatsächlich über Jahre und Jahrzehnte gelernt und studiert haben.
SIe sagt dann einfach: “Ihr seid eingeschnappt weil meine Idee SO revolutionär ist, dass ihr neidisch seid, nicht selbst drauf gekommen zu sein. Und deswegen wollt ihr die Idee jetzt unterdrücken, ihr fiesen Typen ihr.”
Dann geht die Person hin und schreibt ein populärwissenschaftliches Buch. Wenn sie berühmte Bekannte hat, klagt sie denen ihr Leid, wie gemein sie behandelt wurde. Die haben Mitleid und weil sie auch keine Ahnung von dem eigentlichen Fach haben, zu dem die Idee gehört, finden sie es empörend, dass Person abgewiesen wurde, wo die Idee doch so revolutionär ist.
Weil sie nett sind, besorgen sie der Person ein Gespräch mit einem Journalisten, oder Zirkeln der High Society, in denen alle keine Ahnung von dem wissenschaftlichen Feld haben.
Und dann beginnt die Person durch die ZIrkel zu tingeln, wird von Journalisten interviewt, schreibt noch ein populärwissenschaftliches Buch und weil jeder den Underdog mag, verkauft sich die Geschichte gut.
Und weder die Leute in der High Society noch in den Medien interessiert so wirklich, ob das wissenschaftlich gesehen Hand und Fuß hat. Ihnen wird eine schöne Story verkauft, die sich plausibel anhört und gut unterhält.
Derweil hören immer wieder Leute aus dem eigentlichen wissenschaftlichen Feld davon, wie jemand erzählt das der Himmel grün ist und Fleischbällchen regnet und sie sind genervt. Weil der Himmel nun mal blau ist und der Niederschlag in Form von Regen, Schnee, Graupel und Hagel stattfindet, aber nicht in Form von Fleischbällchen. Weil man das nun Jahrhunderte lang beobachtet hat und gemessen hat und nein, es sind wirklich keine Fleischbällchen.
Am Anfang haben sie auch noch geantwortet, wenn Journalisten mal bei ihnen nachgefragt haben, was denn nun dran sei am grünen Himmel und den Fleischbällchen. Dann gab es einen langen Artikel über die Person, die sagt der Himmel ist grün und es regnet Fleischbällchen und es wird lange erklärt WARUM der Himmel grün ist und es Fleischbällchen regnet. Am Ende des Artikels kommt dann ein kurzer Satz, dass Fachperson XYZ sagt “Bullshit”.
Dann sind alle ganz empört, wie engstirnig Wissenschaftler doch sind und dass man nun doch mal erforschen müsste, ob nicht doch was dran ist, ob er Himmel nicht doch grün ist. Und Fleischbällchen wären ja auch toll, wenn die regnen würden. Aber dann würde Big Schlachthof keine Gewinne mehr machen und deswegen würde Big Schlachthof garantiert die Wahrheit unterdrücken und hat dazu die Wissenschaftler gekauft.
Die Wissenschaftler sagen dann gar nichts mehr. Einmal, weil es immer noch Bullshit ist, weil es sich einfach nicht mit dem verbinden lässt, was wir bereits sicher wissen, weil das aber niemand hören will und weil sie jedes Mal beschimpft werden und man ihnen allerlei unterstellt. Und weil sie hoffen, dass irgendwann wenn der Hype rum ist, niemand mehr davon reden wird.
Doch dummerweise hält die Sache sich und sie werden immer wieder drauf angesprochen. Aber mehr als ein genervtes Schnauben kommt eben von ihnen nicht mehr.
Denn egal wie gut sie erklären, WARUM der Himmel nicht grün ist und es keine Fleischbällchen redet … was die Leute glauben wollen, das ist die tolle Geschichte von einem Underdog, den die Wissenschaft schmäht. Und an dessen Theorie alleine deswegen schon was dran sein muss, weil kein Wissenschaftler drüber reden will. Sonst würden sie doch erklären, warum nichts dran ist.
Klären sie auf, will es niemand hören. Klären sie nicht mehr auf, dann weil sie angeblich die neue Theorie nur unterdrücken. Sie können nicht gewinnen, denn der Gewinner der Herzen steht längst fest und da interessiert keine Evidenz.
Aber was Wissenschaftler sind: Verantwortlich für die Gelder, die sie ausgeben um Wissen zu erlangen.
Gerade in den Naturwissenschaften wird viel Grundlagenforschung getrieben. Auch mit extremen Maßnahmen und großen Anlagen, wie dem CERN.
Aber jeder Cent, der von Wissenschaftlern für Experimente eingeworben wird, muss begründet werden. Und das solide. Denn das Geld ist knapp und was für Quatsch rausgeworfen wird, steht nicht mehr für den nächsten großen wissenschaftlichen Durchbruch zur Verfügung.
Sie sind der Gesellschaft gegenüber Rechenschaft pflichtig, denn meist sind das ja Steuergelder, die sie ausgeben. Dazu haben sie noch Stolz. Also weder wird ein Wissenschaftler einfach so Geld beantragen, um etwas zu erforschen, dass nie plausibel an das andocken konnte, was wir bereits wissen. Noch wird er seine Zeit damit verschwenden wollen, etwas zu erforschen, von dem man _genau_ weiß, warum es Quark ist und das auch erklären könnte. Wenn es jemand hören wollte.
Jeder, der sich wichtig machen will, der Geschäfte mit etwas machen will, das eigentlich unmöglich ist oder der sich schlicht in eine Idee verliebt und verrannt hat, kommt irgendwann mit der Legende um die Ecke, die Wissenschaft würde ihn nur ablehnen, weil sie viel zu engstirnig sei um für Neues offen zu sein.
Und die Leute, die das dann glauben, glauben es auch, weil sie das schon so oft gehört haben, dass es doch eine unumstößliche Wahrheit zu sein scheint. Sie kennen die wissenschaftliche Methode nicht und wollen sie auch nicht kennen.
Viel lieber wollen sie die schönen Geschichten glauben, dass wir längst Autos hätten, die mit Wasser fahren, unbegrenzte freie Energie und ein Heilmittel gegen jede Art von Krebs, wenn die Wissenschaft nur nicht so stur wäre und nicht sinistre Hintermänner das ‘Wissen’ unterdrücken.
Außer … das es nicht unterdrückt ist, weil jede Zeitung darüber berichtet und die Spatzen es von den Dächern pfeifen.
Ich kann nur allen empfehlen, die immer noch glauben, Wissenschaft wäre starr und voreingenommen, sich den Film “Particle Fever” anzusehen. Darin sieht man wie das Ergebnis eines CERN-Experiments, die Theorie eines Teils der anwesenden Wissenschaftler bestätigt … und die eines anderen Teils widerlegt. Und damit auch deren jahrelange Arbeit mitreißt.
Es existieren grundsätzlich Ideen in der Wissenschaft, die sich gegenseitig ausschließen können. Aber sie alle brauchen sowohl eine innere Kohärenz, als auch Anknüpfungspunkte, an das, was wir bereits wissen. Beides besitzt die Orgon-Theorie oder die Bionkultur nicht.
tl;dr:
Das Narrativ, dass eine tolle Idee nur deswegen nicht erforscht wird, weil sie unterdrückt wird und weil die Wissenschaft zu starr ist und keine neuen Ideen zulässt, ist ebenso alt wie müde und falsch.
Befördert wird es meist von Menschen, die kommerzielle Interessen verfolgen, sich wichtig machen wollen oder sich einfach in eine Idee verrannt haben.
Wenn Akademiker behaupten, bahnbrechende Erkenntnisse über ein wissenschaftliches Feld erlangt zu haben, in dem sie nicht ausgebildet wurden und in dem sie auch den Austausch mit Wissenschaftlern des Felds scheuen, bzw. diesen vorwerfen “nicht offen” zu sein, sind mit äußerster Vorsicht zu genießen.
Wenn Wunder versprochen werden, ist meist nur ein faules Ei drin. Und wer sich von schönen Narrativen einspinnen lässt, läuft in Gefahr, für eigennützige Zwecke von Lügnern missbraucht zu werden.
Aber echte Wissenschaft, ist wunderbar. Es lohnt sich mit ihr zu beschäftigen und sich davon verzaubern zu lassen.
Kleine Korrektur
Nachdem ich den Film nochmal gesehen habe: Ich hatte mich geirrt. Es wird nicht eine Theorie widerlegt und die andere bestätigt, sondern es werden einige Annahmen über den Haufen geworfen, die bedeuten, dass die Quantenphysik in dem einen oder anderen Punkt nochmal zurück auf Start muss.