Das hängt ganz davon ab, wie Putin seine Nachfolge geregelt hat.
Wenn er sich einen Kronprinzen herangezogen hat, der den Zugriff auf die gleichen Netzwerke hat wie er, der die gleichen Vertrauten hat wie er, der eine breite Unterstützung bei den Gruppierungen hat, die Putins Regierung stützen, dann könnte der Übergang sehr geschmeidig sein.
Möglicherweise würde der neue Präsident dann die Chance nutzen, sich ohne Gesichtsverlust aus der Ukraine zurückzuziehen, möglicherweise aber auch nicht.
Man würde entweder sehr schnell oder in Verlauf der nächsten Wochen und Monate den Stil des Nachfolgers kennenlernen.
Nun ist es aber so, dass Machtpolitiker, besonders autoritäre Männer, vor allem im Alter, zunehmend paranoid und misstrauisch werden . Jeder Widerspruch ist ein Affront, jede starke Persönlichkeit in seinem Umfeld ist eine Gefahr für seine Position.
(Etwas, das man aber auch bei Merkel beobachten konnte. Sie war gut darin, machthungrige CDU-Männer, die versuchten an ihrem Stuhl zu sägen, in ihr eigenes Schwert stürzen zu lassen. Sie war nicht gut darin, jemanden in der eigenen Partei zu fördern, der oder die mehr drauf gehabt hätte, als von Lobbyisten nach oben getragen zu werden oder sich bei jedem Öffnen des Mundes zum Klops zu machen.)
Entsprechend gibt es wahrscheinlich nicht eine Person, auf die sich einflussreiche politische und wirtschaftliche Kreise, plus die russisch-orthodoxe Kirche, einigen können.
Und dann würde man hinterher sehr viel über den Zustand des russischen Staates und unterschiedliche politische Stakeholder lernen.
Dann ist wirklich alles offen.
Von ein, zwei Tagen der Unsicherheit, in der man nicht weiß, wie die Machtverhältnissen nach Putin aussehen werden, bis hin zu Wochen oder gar Jahren von Konflikten, bis sich eine Gruppe durchsetzt und eine neue Führungsfigur installiert.
Möglicherweise würde sich in diesem Chaos aber auch ein zivilgesellschaftlicher Zusammenschluß durchsetzen, und Reformen einleiten. Aber das ist unwahrscheinlich, weil es starke wirtschaftliche Kräfte gibt, die darauf gar keine Lust haben.
Möglicherweise würde sich nach einiger Unruhe, eine Lichtgestalt aus dem Exil melden, mit Versprechungen von Reformen in Richtung Volk und ungewöhnlich stillen russischen Oligarchen … und sich hinterher als keinen Deut besser als Putin herausstellen.
Vielleicht würden russische Truppen in der Ukraine festsitzen, weil man im Kreml zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Ohne Befehle, ohne Nachschub. Vielleicht würde der Krieg deswegen still und leise ausfizzeln, während Soldaten die Panzer stehen lassen und nach Hause trampen.
Vielleicht würde das Fehlen von Führung aber auch erst recht Gewalt entfesseln.
Es wären jedenfalls sehr spannende Zeiten.