Ich würde die Frage anders stellen. Nämlich: Warum gibt es wieder so viele Diktaturen.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es einen Trend hin zu mehr Demokratien.

Inzwischen hat sich der Trend leider wieder umgekehrt.

Zum Vergleich:

Eine Übersicht der Staatsformen nach ‘Stärke’ der Demokratie im Jahr 2008. Quelle [fn]The Economist, Democracy Index 2008.svg – Wikimedia Commons[/fn].

Eine Übersicht der Staatsformen nach “Stärke” der Demokratie im Jahr 2019. Quelle[fn]2019 Democracy index.svg – Wikimedia Commons[/fn].

Man sieht im Vergleich, dass auf dem zweiten Bild nicht nur viel Gelb zu Rot gewandert ist, sowie neue gelbe und rote Flecken aufgetaucht sind: auch unter den grünen Ländern sind einige von Sattgrün zu Hellgrün gerutscht.

So sind sowohl die USA als auch Japan aus dem Bereich der “vollen Demokratie” in den Bereich der “flawed” Demokratien gerutscht. Also Mängelexemplare.

Und damit wir noch wissen, worüber wir aktuell reden:

Die neue Karte von 2021 (ich habe leider keine mit Legende gefunden). Quelle[fn]Democracy Index 2020.svg – Wikipedia[/fn] .

Inzwischen ist Japan wieder in den Bereich der vollen Demokratien gerutscht, dafür sehen wir es in Europa schwächeln, nämlich u.a. Frankreich.

Alle Daten, auf denen die Karten basieren, kommen vom Economist.

Eine etwas andere Darstellung bietet die Uni Würzburg mit ihrer Demokratie-Heatmap:

Hier sieht man derzeit noch nur eine leichte Abnahme, also mehr einen Trend, als eine so krasse Entwicklung, wie es die Karte des Economist zeigt.

Aber, was ist eigentlich passiert?

Ende des vergangenen Jahrhunderts hatten wir natürlich den Zusammenbruch des Ostblocks und die folgende Demokratisierung mehrerer ehemals kommunistischer Staaten die mehrheitlich in den Bereich der Diktaturen einzuordnen gewesen wären.

Dabei ist, sagen wir, nicht alles gut gegangen. (Untertreibung des Jahrhunderts)

Zum einen wären da die Balkankriege gewesen, zum anderen hat die Neoliberale “Beratung” der ehemaligen Sowjetunion durch “den Westen” dort für eine enorme wirtschaftliche Krise, Hunger und ja, schlicht Not, gesorgt.

Die Lebenserwartung erreichte 1994 einen Tiefpunkt. Nach kurzer Erholung kam es 1999 zu einem neuerlichen Rückschlag. Auch die Säuglingssterblichkeit stieg wieder; sie ist mehr als dreimal so hoch wie in Deutschland. Die Lebenserwartung sank dabei wieder, bei Männern auf 59,6 Jahre, bei Frauen auf 71,3 Jahre (Abbildung 3). Mit diesen Werten wurde sogar das Niveau von 1965 unterschritten; Männer lebten damals im Durchschnitt fünf Jahre länger, Frauen zwei Jahre.

Wochenbericht des DIW Berlin 31/00Russland: Demographische Probleme belasten Wirtschaft

Marina Weisband berichtet von den Erfahrungen ihrer Familie im Russland und der Ukraine der 90er Jahre:

Was ich damit sagen will: Womit (westliche) Demokratien meist untrennbar verbunden sind, ist nicht nur Kapitalismus sondern auch der Neoliberalismus.

Neoliberalismus ist, bei genauerer Betrachtung, alles andere als nachhaltig.

Aber auch eine Ideologie, die sich selbst erhält. In dem der Neoliberalismus Besitz keine Schranken auflegt und es zulässt, das finanzielle Mittel in sehr wenigen Händen konzentriert werden, schafft er ein selbsterhaltendes Machtsystem.

Strukturen, die z.b. Kartelle verhindern und kontrollieren sollten, haben sich als allenfalls mässig wirksam erwiesen.

Gerade Superreiche und große Kartelle aus dem Bereich der Ölindustrie, aber auch das Medienkartell von Rupert Murdoch haben früh begonnen, die Politik, vor allem in den USA und der UK, aber nicht nur, mit zu beeinflussen.

Als dann in den 2010er Jahren der arabische Frühling begann, sah es für einen Moment allerdings durchaus so aus, als könnten es ein paar Demokratien mehr werden.

Dass es nicht so kam, liegt vor allem daran, dass es sich bei den betroffenen Staaten um Rentier-Staaten handelt, wie ja auch schon Marcus Fabian schrieb. Mehr zu diesem Konzept habe ich hier geschrieben.

Hier führt dazu, dass diese Staaten nicht wirklich von Steuern abhängig sind, da sie über reichhaltige Bodenschätze verfügen, dass schlicht Hebel für die Bevölkerung fehlen, die Politik zu beeinflussen.

In Nordafrika und dem Nahen Osten stockte die Entwicklung hin zu Demokratien, während sie sich anderswo auf einem langsamen Slide rückwärts befindet, so zum Beispiel die Phillippinen, wo sich die Demokratie seit dem Ende der Marcos-Diktatur nie wirklich stabilisieren konnte und dann noch durch Troll-Kampagnen im Internet zuerst Rodrigo Duerte und nun der Sohn des früheren Diktators Ferdinand Marcos, zum Präsidenten gewählt wurde.

Erfolgreiche Putschversuche fanden in den letzten zwei Jahren unter anderem in Myanmar, Mali, Guinea und Burkina Faso statt.

Zu Ländern, in denen demokratische Institutionen von der derzeitig amtierenden Regierung unterhöhlt werden oder demokratische Prozesse abgebrochen wurden, gehören z.B. die Türkei und Ungarn. Sehr ins Trudeln gekommen, ist auch das Vereinigte Königreich mit noch unklarem Fortgang.

Ob sich die Demokratie in den USA wird halten können, wird man spätestens im Jahr 2024 sehen.

Man könnte sagen, wir leben in einer merkwürdigen Gemengelage, in der es leichter geworden ist, große Gruppen zu polarisieren. Zukunftsängste und Krisen wie die Pandemie werden gezielt vor allem von Interessengruppen am rechten Rand genutzt, die die eigenen politischen Interessen gegen demokratische Prozesse verteidigen. Die Bedeutung fossiler Rohstoffe stabilisiert undemokratische Systeme vor allem in den islamischen Teilen der Welt. Diese Systeme nutzen wiederum ihre finanzielle Macht um religiösen Extremismus zu fördern, ähnlich, wie westliche Superreiche ihre Interessen und Ideologien verteidigen, in dem sie rechte und rechtsextreme Strukturen (finanziell) fördern.

Titelbild: Urheber – WeifengYang & JackintheBox CC BY 4.0

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