Dass Quora als Plattform so wenig Beachtung findet, wenn über Desinformation gesprochen wird, macht mir zunehmend Magenschmerzen. Quora mag nicht die Reichtweite oder Bedeutung Twitters haben und auch nicht die Verruchtheit Telegrams, dennoch findet hier eine ganze Menge Propaganda und Desinformation statt. Meiner Überzeugung nach auch koordiniert.

Das ist vor allem deswegen ungut, weil Quora-Antworten bei Google durchaus gut im Ranking liegen, Quora nicht den gleichen Ruf wie “GuteFragen” hat, hier vor allem Schrottantworten zu finden und weil doch immer viele normale Menschen rein auf der Suche nach Antworten dort aufschlagen und dann aber mit mehr als fragwürdigen Inhalten konfrontiert werden.

Die Content-Moderation Quoras funktioniert nicht bzw. nur in homöopathischen Dosen. Daher versucht ich zumindest immer mal wieder, auf die Methoden der Propagandisten hinzuweisen. In dem minimalen Umfang, der mir möglich ist.

Info Dieser Beitrag entstand zuerst als Antwort auf der Frage-und-Antwort-Plattform Quora. Er wurde mit allen Fehlern und Tippfehlern ins Blog übernommen. Fehler und Tippfehler in der Frage sind die Fehler des ursprünglichen Fragestellers

Quora-Frage: Warum sind über 70 % der Deutschen und Amerikaner für Verhandlungen, während diese Haltung kaum in diesem Forum und den Medien transportiert wird?

Und weil ich gerade dabei bin, noch ein Exkurs zu den Mechanismen von Propaganda.

Auch bei dieser Frage handelt es sich um eine Frage des Typs “Just asking questions” oder “wird man doch mal fragen dürfen”.

1. Fehlender Kontext als Strategie?

Hier wird auf den Kontext der Frage völlig verzichtet. Der Fragesteller setzt voraus, dass die Leser aus dem Ort, an dem die Frage auftaucht und dem Zeitpunkt schon selbst ablesen können, um was es geht. Dadurch erreicht er aber noch etwas: Die Leser denken über die Frage nach. Und schon hat man einen Fuß in der Schleuse des Hirns, die sonst den gröbsten Bullshit erst mal ausfiltert.

Dadurch, dass man fremde Behauptungen mit eigenen Gedanken und Ergänzungen versieht, werden sie möglicherweise eher wie eigene Gedanken empfunden.

Wird der Fragesteller auf falsche Behauptungen hin angesprochen oder soll er gar deswegen sanktioniert werden, bleibt auch immer die ‘plausible deniability’. Er kann immer im Nachhinein behaupten, der Kontext der Frage sei ein ganz anderer gewesen.

2. “Warum”

Das “Warum” kann in dieser Frage eigentlich weggelassen werden. Denn der Fragesteller ist gar nicht am Warum interessiert. Er will Mehrheitsverhältnisse nicht verstehen, sondern in Zweifel ziehen.

3. “… sind über 70 %”

Genaue Zahlen haben immer den Effekt vertrauenswürdig zu klingen. Wenn jemand eine genaue Zahl nennt, dann gehen wir automatisch davon aus, er hat sich diese nicht einfach aus den Fingern gesogen, sondern bezieht sie aus einer Quelle, die diese Zahl sicherlich verifiziert haben muss, sonst würden ja vagere Angaben gemacht, wie “die Mehrheit”.

Dadurch wird eine in den Raum geworfene Zahl glaubhaft, selbst wenn der Propagandist, die Nennung einer Quelle schuldig bleibt.

4. Die fehlende Quelle: “Warum sind über 70 % der Deutschen und Amerikaner für Verhandlungen, …”

Woher hat der Fragesteller seine Informationen? Das bleibt unklar, aber mit dem oben genannten Trick ist die Zahl sowohl glaubwürdig als auch unanfechtbar. Denn er nennt ja keine Quelle, die seine Behauptung be- oder auch widerlegen könnte.

Jede Diskussion findet also auf Basis einer unbelegten Behauptung statt, die der Fragesteller aber als Nennwert etablieren konnte.

5. Die Macht der Masse: “… über 70 % der Deutschen und Amerikaner für Verhandlungen, …”

Menschen sind Herdentiere und Ablehnung der Mehrheit bedeutete in Urzeiten aus der Gruppe ausgestossen zu werden. Und aus der Gruppe ausgestoßen zu werden, bedeutete in einer feindlichen Umwelt das Todesurteil.

Wir tendieren daher dazu, uns der Meinung der Mehrheit anzuschließen (so lange diese nicht unseren Kern-Überzeugungen grundlegend zuwiderläuft) oder uns Gruppen und Zusammenhänge zu suchen, in der unsere Position nicht alleine steht.

Mit der Behauptung dass 70% eine bestimmte Haltung vertreten, erweckt ein Propagandist schon mal eine interne Überprüfung unserer Überzeugungen und den Check, ob wir diese angesichts der Tatsache, scheinbar zu einer Minderheit zu gehören, nicht auf den neusten Stand bringen können.

Diese Behauptung ist daher ein kleiner Schubs, doch die eigenen Ansichten der Deutungsweise anzupassen, die der Propagandist verkaufen will.

5. Zensur sagen ohne Zensur zu sagen: “während diese Haltung kaum in diesem Forum und den Medien transportiert wird?”

Was der Fragesteller hier eigentlich aussagt ist: “Die Mehrheit der Deutschen und Amerikaner will Verhandlungen aber die Medien bringen nix drüber und ihr seid hier auch alle anderer Meinung. IST DAS NICHT BEMERKENSWERT?”

Also im Grunde werden zwei verschiedene Behauptungen aufgestellt:

  1. “wenn es eine so deutliche Mehrheit gibt, warum berichten die Medien, als wäre das nicht der Fall? Das muss bedeuten, dass missliebige Themen unterdrückt werden!! Staatspresse!!
  2. “Auch die Meinung in diesem Forum ist anders verteilt, als ich behaupte, dass die Meinung in der Bevölkerung verteilt ist, dass bedeutet, auch hier im Forum wird Zensur geübt. Eine andere Begründung kann es gar nicht geben.”

Auch dieser Teil der Frage wirkt daher auf zwei Weisen. Auf der einen Weise soll er das Vertrauen in die Zuverlässigkeit etablierter Medien ins Wanken bringen, auf der anderen Seite auch in die Gruppe hineinsignalisieren, dass die Gruppenadministratoren nach der eigenen Meinung filtern. Also ‘zensieren’.

6. Blameshifting: “… Deutschen und Amerikaner für Verhandlungen …”

Gehen wir also mal davon aus, dass der Fragesteller im Kontext des Salons und der derzeitigen geopolitischen Situation den Ukrainekrieg gemeint hat, so stellt er in den Raum, dass 70% der Deutschen und Amerikaner für eine Verhandlungslösung wären.

Vergisst dabei aber natürlich zu erwähnen, dass weder Deutschland noch Amerika Kriegsparteien sind. Es also auch völlig und komplett egal ist, welche Art der Lösung Deutsche oder Amerikaner vorzögen, weil sie in diesem Krieg nichts zu sagen haben.

Außer natürlich … in Form der Waffenlieferungen ihrer Länder.

Das heißt, im Endeffekt geht es wieder darum, der Ukraine die Unterstützung zu entziehen und den gesellschaftlichen und medialen Boden dafür zu bereiten, dass sich Russland unter den Nachbarstaaten die Teile aussuchen kann, die es sich gerne einverleiben würde.

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