Die Frage alleine ist schon wieder desinformierend, da sie das Märchen als Realität hinstellt, man könne das Immunsystem gezielt “aufbauen” bzw. Impfungen wären etwas, das nichts damit zu tun hätte.
- Es gibt ein Immunsystem, das arbeitet
- im Normbereich (idealerweise),
- ist immunsupprimiert (bei Menschen mit Organtransplantat, Krebs oder Autoimmunerkrankungen)
- ist hyperaktiv (Allergien, Autoimmunerkrankungen).
- Arbeitet das Immunsystem bereits im Normbereich, kann man den für sich persönlich idealen Zustand halten durch
- ausreichend und regelmäßiger Schlaf,
- gesundes Essen,
- ausreichend Bewegung …
- … an der frischen Luft
- wenig Stress
- INDEM MAN DAS VERHALTENSIMMUNSYSTEM NICHT VERGISST (dazu unten mehr).
- Dabei sind die Faktoren nicht gleich negativ oder positiv. Isst man nicht komplett ungesund, also ausschließlich Fastfood etc. wird man das lange nicht am Immunsystem merken. Dagegen merkt man fehlenden Schlaf sehr schnell. Besonders psychischer Stress kann dem Immunsystem ziemlich zusetzen. Während man Essen, Bewegung und Aufenthalte an der frischen Luft weitgehend unter eigener Kontrolle hat, gilt das nicht für alle Faktoren
- Ausreichend Schlaf ist eine Utopie für: Eltern sehr junger Kinder, Schichtarbeiter aller Art.
- Stress vermeiden ist eine Utopie in vielen Lebenslagen wie:
- Tod eines Angehörigen, schwere Erkrankung eines Angehörigen
- Tod oder Krankheit im engen Freundeskreis
- Pflegeaufgaben
- Doppelbelastung Beruf/Familie
- Wirtschaftliche Sorgen, Schulden
- Beziehungsprobleme, Trennungen
- Berufliche Probleme, auch solche, die außerhalb der eigenen Gewalt liegen, wie Kurzarbeit, wirtschaftliche Schwierigkeiten, Firmenzusammenlegungen, desorganisierte Vorgesetzte, bösartige Vorgesetzte, Mobbing, besondere Umstände wie Produktrollouts oder Abgabetermine.
- Prüfungsphasen
- Arbeitspendler/Wochenpendler sein
- bei Notfällen, Unfällen, lebensverändernden Erkrankungen (wie Krebs), Katastrophen, Wohnungsbrand … etc.
- Kurz: Wenn man als junge, gesunde Person rein darauf setzen würde, dass man das Immunsystem im Idealbereich hält, würde man sich einer ganzen Reihe von Unwägbarkeiten aussetzen, die die Idee, aufs “eigene Immunsystem” zu setzen, statt sich zu impfen schon alleine dann ziemlich unklug wirken lässt, wenn wir noch nicht mal in Betracht ziehen, was eine Impfung tatsächlich für das Immunsystem tut.
- Der “Idealbereich” des Immunsystems ist individuell unterschiedlich. Manche Menschen sind kaum für Krankheiten anfällig andere sind trotz gesunder Ernährungsweise, Sport, etc. ständig krank. (Stehender Witz meiner früheren ‘Wohngemeinschaft’. Ich (regelmässig Schlaf, täglich Gemüse, immer mit dem Rad unterwegs, keine Drogen, kein Rauchen, kein Alkohol) hab jeden Infekt aufgesammelt. Die Typen, die kifften wie Schlote, soffen, rauchten, andere Drogen nahmen, die Nächte durch pokerten und sich vorwiegend von Kaffee und Schinken ernährten, waren fast immer gesund — ein Grund war, wie ich heute weiß, das Verhaltensimmunsystem, der Rest: Veranlagung) Siehe weiter unten das Video von. Dr. Hegedüs.
- Das Immunsystem über den Normbereich hinweg “aufbauen” zu wollen, würde bedeuten, es hyperaktiv zu machen und dann sind wir, siehe oben, im Bereich der Allergien und Autoimmunerkrankungen. Das kann niemand wollen.
- Selbst, wenn es theoretisch möglich wäre, das Immunsystem vom Trabbi zum Porsche aufzurüsten: Das Immunsystem weiß NICHT VON ALLEINE WAS ES TUN MUSS.
Die Alternativmedizin behauptet das Immunsystem sei quasi eine Art magische Blackbox die genau weiß, was krank macht und was nicht. Es muss nur stark genug sein, dann wird es mit allem fertig.
DAS IST NICHT DER FALL.
Jetzt mal scharf nachdenken. Bei Autoimmunerkrankungen greift das Immunsystem den eigenen Körper an. Bei Allergien greift das Immunsystem quasi harmlose Substanzen an, als wären sie Krankheitserreger.
Wie kann das gehen, wenn das Immunsystem magisch weiß, was krank macht und was nicht?
Genau. DAS IMMUNSYSTEM IST NICHT MAGISCH! - Das Immunsystem LERNT während der Kindheit zu erkennen, was ein Krankheitserreger ist und was nicht. Es lernt auch im Erwachsenenalter weiter, aber langsamer:
ABER:
Wie auch Wissenschaftler heute noch nicht alle Viren kennen, alle Bakterien, alles was krank macht, kennt auch das Immunsystem nicht alles. Es kennt nur, WAS ES BISHER KENNENGELERNT HAT. - Wenn Du Dein Immunsystem also topfit hältst und dann kommt ein Krankheitserreger, den es bisher nicht kennt, dann reagiert es nicht cool. Dann fährt es nicht gelassen die Abwehr hoch und schlägt den Erreger platt. Dann reagiert es
- gar nicht,
oder - konfus,
oder - zu spät,
oder - überschießend.
- gar nicht,
- Kurz: Du hast ein topfittes Immunsystem. Dann kommt ein Virus, das es nicht kennt. Dein Immunsystem rast los. Aber es ist wie ein Porsche ohne Lenkung und Bremse. Statt die Influenzaviren umzufahren, landet es 500 Meter weiter mit einem großen Crash an der Betonwand.
Das ist bei der Spanischen Grippe passiert, als die Todesrate unter jungen, gesunden Menschen zwischen 15 und 35 Jahren besonders hoch war. Das war auch in der besonders schweren Grippewelle 2017/2018 der Fall, als besonders viele junge Sportler unter den Opfern waren. Der Verlauf einer Grippe ist dann nicht typisch, sondern rasant. Die betroffene Person stirbt am Zytokinsturm. ALSO AN DER REAKTION DES EIGENEN IMMUNSYSTEMS AUF EINEN ERREGER DEN ES NICHT KENNT. - Eine IMPFUNG bringt deinem Immunsystem bei, was ein Krankheitserreger ist. Auf eine sichere und kontrollierte Weise.
Die Frage ist also: Warum würdest Du Dein gutes Immunsystem nackt und ohne Karte mit einem Tritt über einem fremden, tödlichen Gebiet aus dem Flugzeug werfen, wenn Du ihm statt dessen die beste Ausrüstung besorgen kannst, die wir in unserem modernen Arsenal haben? Die Impfung.
MIND THE VERHALTENSIMMUNSYSTEM!
Zu einem guten Immunsystem gehört auch ein gutes Verhaltensimmunsystem. Das bedeutet, sich krankheitsvermeidend zu verhalten. Dazu gehört, gesunde Ernährung, Sport, Stressvermeidung etc. ebenso wie z.B. sich regelmässig die Hände (gründlich) zu waschen. Vor allem nach dem Toilettengang (blickt in Richtung der mitlesenden Männlichkeit). Dazu gehört, sich möglichst nicht ins Gesicht zu fassen (im Mund fummeln, Nasebohren, die Augen reiben). Dazu gehört grundlegende Körperhygiene. Dazu gehört grundlegende Küchenhygiene. Dazu gehört nichts zu essen, das verdorben ist. Dazu gehört, sich in die Ellenbeuge zu niesen und zu husten, statt in die Hand oder ins Taschentuch. Dazu gehört Masken zu tragen. Dazu gehört zu lüften.
Und dazu gehört ALLE EMPFOHLENEN IMPFUNGEN wahrzunehmen.
Ergänzung 10.09.2022
Ich solle die Impfnebenwirkungen erwähnen, sagte man mir.
Ja, Impfungen haben Impfwirkungen (die ‘das Immunsystem ist zur Arbeit angetreten und macht heizt jetzt mal ein’-Wirkungen) und
Nebenwirkungen. Alle. Da die Grippeviren für die Impfung derzeit noch auf Hühnerei gezüchtet werden, gibt es beispielsweise bekannte Nebenwirkungen für Eiweißallergiker. (Hier bitte dem Arzt Bescheid geben, es gibt Workarounds.)
Immer mal wieder wird berichtet, Menschen hätten nach der Grippeimpfung die Grippe bekommen. Das ist nicht der Fall. Es ist maximal ein grippaler Infekt. Die echte Grippe vergesst ihr nicht mehr und sie ist auch nicht mit zwei Wochen auf der Nase liegen gegessen.
Es ist technisch unmöglich von der Grippeimpfung für Erwachsene (der mit der Spritze) eine Influenza zu bekommen. Sie enthält kein lebendes Virus.
Es ist aber natürlich möglich, zeitgleich mit der Impfung einen anderen Infekt zu bekommen. Vor allem, wenn man zur besten Erkältungszeit in einem überfüllten Wartezimmer gesessen hat.
Es gibt auch andere Nebenwirkungen, aber diese sind extrem selten.
Wie alle Impfungen hat auch die Influenzaimpfung ein postives Risikoprofil. Das bedeutet:
Sich impfen zu lassen ist sehr _sehr_ viel sicherer, als an der Krankheit zu erkranken. Das gilt auch obwohl die saisonale Influenza nicht so sehr ansteckend ist, dass sich jeder infizieren könnte. Das gilt auch, obwohl die Grippeimpfung mit anderen Impfungen verglichen eine echt schlechte Effizienz hat. Zwischen 50% und 80% nämlich.
Das kommt daher dass quasi die Impfung schon in Produktion gehen muss, während man noch nicht weiß, welche Influenzastämme in der nächsten Saison dominant werden. Bei dem nötigen Ratespielchen liegt man auch mal daneben. (Meine erste Grippeimpfung fiel auf ein Jahr, in dem genau dieses Ratespielchen nicht geklappt hat und dann brachte mein Mann genau den Stamm mit heim, der nicht enthalten war. 😭)
Das führt dazu, dass die Influenzaimpfung nicht für alle empfohlen wird, sondern nur für ältere Menschen und Risikogruppen.
Warum die Grippeimpfung dennoch für alle Sinn macht.
Gegen die Grippe muss man auch deswegen einmal im Jahr impfen, weil sich das Virus zyklisch langsam verändert. Das ist der sogenannte Antigendrift.
Vor allem Influenzaviren vom Typ A haben aber eine andere sehr unangenehme Eingenschaft, nämlich den AntigenSHIFT.
Dabei passiert grob folgendes: Treffen sich zwei Grippeviren. In einem Schwein (oder Vogel, oder oder …) Beide sind vom Typ A, aber unterschiedliche Stämme des Typ A. Also ein bisschen so, als wenn sich ein Neanderthaler und ein Homo Sapiens treffen. Und nun setzt sich aus diesen zwei Viren ein neues Virus zusammen und das hat das große Kinn des Neanderthalers aber nicht dessen gechilltes ‘lass uns mal am Feuer ein bisschen Kunst machen’-Temperament, sondern das mörderische Homo Sapiens-Temperament.
Und dann kommt da ein Typ mit einem Kinn wie ein Neanderthaler ans Feuer andere Neanderthaler und die denken: Toll, der gehört zu uns, der ist wie wir. Mit dem chillen wir am Feuer und machen Kunst.
Aber der Neander-Sapiens haut die einfach alle um, weil er den Braten für sich alleine will.
So ungefähr reagiert auch der Körper, das Immunsystem, wenn das neue Neander-Sapiens Frankenvirus auf ihn trifft. Das schaut mal kurz hin, denkt sich “ach, kennen wir doch” aber dann bekommt es quasi große Augen und drückt auf den roten Knopf der alle Nukes zündet weil OH MEIN GOTT EIN FRANKENVIRUS.
Das Ergebnis haben ich oben schon beschrieben. Man stirbt am Zytokinsturm, weil das Immunsystem überreagiert.
Nun ist die Frage: wie verhindert man, dass das Immunsystem überreagiert?
In dem das Immunsystem vorher weiß, wie die Gefahr aussieht und was es dagegen tun kann.
Aber: Wir wissen nicht, wann es einen solchen Antigenshift das nächste Mal geben wird. Der tritt normalerweise mit schöner Regelmässigkeit auf und ist dann der heiße Kandidat für das nächste pandemische Virus. Aber alle warten seit etwa 20 Jahren auf den nächsten Antigenshift aber der lässt sich einfach nicht blicken. Um genau zu sein haben nahezu alle (außer ein paar Coronaviren-Experten) erwartet, dass die nächste Pandemie eine Influenzapandemie sein würde. Und die steht auch immer noch aus. Früher oder später wird sie kommen. Sorry.
Da wir nicht wissen, welche Stämme beim nächsten Antigenshift aufeinandertreffen und wie sie sich rekombinieren, können wir uns auch nicht drauf vorbereiten. Klar, es wird erforscht was _theoretisch_ dabei passieren könnte (genau das macht die Gain-of-function Forschung), aber niemand hat die Glaskugel um vorhersagen zu können, welche Eigenschaften genau das nächste pandemische Influenzavirus haben wird. Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten, um schon Impfstoff vorzuproduzieren.
Aber nun kommen die jährlichen Grippeimpfungen ins Spiel.
Die enthalten jeweils 4 Influenzastämme. Die Stämme, bei denen man damit rechnet, dass sie in der jeweiligen Saison die dominierenden sein werden. Das ist ein bisschen, als sammele man Bilder in einem Pannini-Album. Wenn das Bilder des Familientreffens der Windsors wären, beispielsweise, dann würde man nach einem bisschen blättern sehen: Ja, da besteht definitiv eine gewisse Familienähnlichkeit zwischen den einzelnen Personen.
Und genau das tut das Immunsystem im übertragenen Sinne.
Es klebt sich jedes Jahr vier Influenza-Verwandte ins Immungedächtnis. Und mit jedem Beispiel mehr, lernt es diese kleine Familienähnlichkeit zu erkennen. Die, auch wenn der Onkel Adam klein und dick ist und der Papa William groß und schlank, beide haben sie am Haaransatz diese Stellen, wo die Haare weniger werden und zwar im gleichen Muster. Und wenn man GANZ genau hinsieht, dann sieht man: Tante Anne hat die auch. Auch wenn sie versucht das mit einem Haarteil zu verstecken.
Durch die jährliche Grippeimpfung trainiert man das Immunsystem auf die wiederkehrenden Muster die man in unterschiedlichen Stämme des gleichen Virentyps findet.
Wenn nun ein neuer Gast dazu kommt, mit Neanderthaler-Kinn aber dem fliehenden Haaransatz von Dutzenden Tanten und Onkeln, dann fragt man diesen neuen Gast spontan, ob er zufällig mit dem Rest verwandt ist. Und genau das tut auch das Immunsystem.
Es reagiert nicht mehr über. Es ist weiß: ach, das FRANKENVIRUS gehört auch zu dem Haufen, den ich ja schon kenne. Also lasse ich die Nukes mal stecken und spule Schema F ab. Das reicht ja auch.
Kurz: Mit einer jährlichen Influenzaimpfung ist das Immunsystem sehr wahrscheinlich besser auf ein neues, pandemisches Virus vorbereitet. Auch, wenn es für das pandemische Virus selbst noch gar keine Impfung gibt.
(Leider muss man, wenn man keiner Risikogruppe angehört, die Impfung selbst zahlen. Nehmt, wenn es bei eurem Arbeitgeber angeboten wird, die Impfung beim Betriebsarzt in Anspruch. Da ist es eigentlich immer kostenlos.)
Warum die Influenzaimpfung für werdende Mütter Sinn ergibt
Die Sterblichkeit der Influenza zeigt ein U-Profil. Das bedeutet, es sterben besonders alte Menschen, aber es sterben auch besonders junge Menschen.
Kinder im 1. Lebensjahr gehören zur Influenza-Hoch-Risikogruppe. Aber eine werdende Mutter, die in der Schwangerschaft geimpft wurde, gibt diese Abwehrkräfte mit dem Nestschutz an den Fötus weiter.
Die Kinder geimpfter Mutter haben eine signifikant geringere Gefahr, an einer Influenza-Infektion zu sterben.
Und nein, die Influenza ist nicht harmlos, wie viele glauben. Die Mehrheit dürfte eine echte Influenza überhaupt noch nicht erlebt haben. Sie ist nicht so irre ansteckend und mit einem guten _Verhaltensimmunsystem_ infiziert man sich in den meisten Jahren schlicht nicht.
Was der Volksmund mit “Grippe” bezeichnet, sind in Wirklichkeit grippale Infekte. Also z.B. ausgelöst durch die Erkältungscoronaviren, die nur entfernte Verwandte von SARS-CoV-2 sind.
Eine Grippe hat man, wenn die Krankheit urplötzlich einsetzt, man sich ohne ein “Anschleichen” des Krankheitsgefühl ziemlich überraschend sterbenselend fühlt.
Eine echte Influenza hat man, wenn man sich fühlt, als habe einen ein Zug frontal erwischt und dann wurde man noch von einem Pferd getreten. Das ist kein “14 Tage krank fühlen, im Bett liegen und dabei Netflix bingen”. Das ist weit schlimmer.
- zur Original-Antwort
Ergänzung zur Grippeimpfung: Manche Krankenkassen zahlen sie als Satzungsleistung für alle (z. B. die TK, man muss sie dann bei der TK selber zur Erstattung einreichen und bis zu 10€ zuzahlen).
Es lohnt sich auf jeden Fall, mal bei der eigenen Kasse auf auf die Homepage zu schauen oder nachzufragen.
Außerdem gibt es in manchen Bundesländern Sonderregelungen – z. B. BaWü, wo laut KBV BW die meisten Kassen es auf Grund einer Empfehlung des Ministeriums zahlen.
https://www.kvbawue.de/praxis/verordnungen/impfungen