Die Welt wäre eine sehr viel bessere, würden Menschen, wenn sie etwas nicht verstehen, nicht denken “Da muss es wohl eine Verschwörung geben!!! Ich werde belogen!!!”, sondern: “Hm. vielleicht verstehe ich etwas nicht richtig. Vielleicht muss ich mich erst mal mit dem Thema beschäftigen, um es richtig zu verstehen.”
Nachdem anscheinend ein paar Menschen Schwierigkeiten bei der Interpretation der österreichischen Statistik zur Covid-19-Impfung haben, die ich in einem anderen Beitrag verwendet habe, hier als Community-Service wie diese zu lesen ist.
Vorweg
Diese Statistik ist extrem wertvoll, weil sie zuverlässig ist. Anders als in Deutschland, wo wir aus Datenschutzgründen kein Impfregister haben, hat Österreich eines. Man weiß also ganz genau, welche Personen geimpft sind und welche nicht und muss das nicht erfragen, z.B. wenn Menschen mit Symptomen ins Krankenhaus kommen. Bzw. kann es nicht mehr erfragen, wenn sie aus ungeklärten Ursachen sterben. In Österreich konnte man Impfregister und Sterberegister miteinander abgleichen und weiß daher, wie viele Menschen gesichert geimpft waren und wie viele gesichert nicht geimpft waren.
Was die Statistik sagt
Sie sagt uns, wie viele Menschen, die im Erfassungszeitraum gestorben sind, geimpft waren und wie viele, die im Erfassungszeitraum gestorben sind, nicht geimpft waren. Außerdem schlüsselt sie die Todesfälle nach Alterskohorten in Schritten von 20 Jahren auf und dann noch einmal nach Geschlecht. Beides ergibt Sinn, da von Beginn der Pandemie an, ältere Menschen häufiger schwere Verläufe erlebten und Männer häufiger als Frauen.
Was die Statistik NICHT sagt
Die Statistik gibt keine Auskunft darüber, an welchen Krankheiten die Personen gestorben sind, die innerhalb des Erfassungszeitraums gestorben sind. Hier sind also die vielbehaupteten “Autounfälle” die angeblich massenhaft als Covid-19-Tote deklariert wurden, inbegriffen. Es sind auch die Leute inbegriffen, die an einem entzündeten Zehnagel gestorben sind.
Welche Fragen kann die Statistik beantworten?
Im Grunde eine Frage:
- Ist das Leben für Geimpfte oder Ungeimpfte risikoreicher?
Wie gesagt, wir wissen nicht, woran die Leute gestorben sind. Das macht, anders, als Querdenker behaupten, die Statistik aber sogar sinnvoller, als wenn wir nur auswerten, wie viele Menschen, die nachgewiesen an Covid-19 erkrankt waren, starben.
Denn die österreichische Statistik verschafft uns einen viel umfassenderen Eindruck von der durch die Pandemie erzeugten Krankheitslast.
Durch sie erfahren wir alle Sterbefälle, inklusive:
- wer starb obwohl keine medizinische Hilfe in Anspruch genommen wurde (Querdenker u.a.)
- wer an dem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte in Folge einer auch leichten Covid-19-Infektion starb
- wer an möglichen weiteren Effekte der Pandemie verstarb
Aber wenn diese Frage geklärt ist, können wir die Antworten auf Sub-Fragen mit relativ hoher Sicherheit extrapolieren, nämlich:
- Hilft die Impfung schwere Covid-19-Verläufe und daraus folgende Tode zu vermeiden? — Wenn das der Fall wäre, dann müssten mehr Ungeimpfte im Beobachtungszeitraum verstorben sein, als Geimpfte.
- Ist die Impfung wirkungslos? — Wenn das der Fall wäre, müssten die Sterbezahlen Geimpfer und Ungeimpfter auf dem gleichen Niveau liegen.
- Liegen die Todesfälle am Lockdown? — Einen Lockdown gab es im Beobachtungszeitraum Mitte/Ende November bis Mitte Dezember. Dieser war für Ungeimpfte marginal länger als für Geimpfte. Wären die beobachteten Effekte aber auf den Lockdown zurückzuführen, müssten die Gruppen ungefähr gleichauf liegen.
- Oder ist die Covid-19-Impfung selbst ein Gesundheitsrisiko? — Wenn das der Fall wäre, müssten mehr Geimpfte als Ungeimpfte im Beobachtungszeitraum verstorben sein.
Könnte es aber nicht doch sein, dass ganz andere Gründe für die Zahlen vorliegen?
Ja, well … gibt es etwas anderes, dass Menschen, die gegen Covid-19 geimpft sind und Menschen, die nicht gegen Covid-19 geimpft waren im Herbst und Winter 2021 vereint hat? Klar, könnten alle ungeimpften Menschen z.B. neben einer Halde mit giftigem Klärschlamm leben, aber sehr wahrscheinlich ist das nicht. Auch andere Erklärungsansätze (Aliens, Hirnwürmer, …) taugen eher nicht.
Impfgegnerschaft bzw. “Vaccine hesitancy” zieht sich durch alle Gesellschaftschichten, aber “Bildung” und “sozialökonomische Verhältnisse” spielen eine Rolle: Heißt, wer sich impfen lässt ist meist besser gebildet und wirtschaftlich besser gestellt als Menschen, die sich nicht impfen lassen. Wer eine höhere formale Bildung erreicht hat und wirtschaftlich besser gestellt ist, leidet seltener unter chronischen Erkrankungen und lebt im Allgemeinen gesünder und länger.
Dennoch weichen die Sterbezahlen und Raten so stark voneinander ab, dass sie sich nicht alleine mit den sozioökonomischen Verhältnissen erklären lassen.
Wie man die Tabelle liest
Zuerst noch einmal die gesamte Tabelle:
Wir sehen drei Spaltengruppen mit je drei Spalten:
Für die schnelle Information brauchen wir eigentlich nur die erste Spaltengruppe. Sie sagt uns relativ übersichtlich, ob im Verhältnis mehr Geimpfte oder mehr Ungeimpfte gestorben sind und wie viele Menschen von 100.000 Personen durchschnittlich gestorben sind.
Zum echten Verständnis der ersten Spaltengruppe brauchen wir aber auch den Rest.
Schauen wir uns die erste Spaltengruppe genauer an:
Wichtig zum Verständnis ist, dass in die Spalte “b” nicht nur der Durchschnitt von “c” und “d” ist, sondern in den 100.000 Personen der ersten Spalte sind die Geimpften und Ungeimpften jeweils in dem Anteil enthalten, der ihrem Anteil in der Bevölkerung entspricht. Damit gleicht man den sogenannten “Base Rate Error” aus und verhindert falsche Schlüsse, die man ziehen könnte, wenn man nur die absoluten Zahlen ansieht.
Ein Quickfix, um festzustellen, ob die Zahlen der ersten Spalte “b” Sinn ergeben. Sieht man sich die dritte Spaltengruppe, nämlich Gruppe “ I ” an.
Das Ergebnis von Spalte “b” muss immer zwischen Spalte “c” und “d” liegen, aber näher an der Gruppe, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung größer ist. Das kann man auch schnell überfliegen, ohne den Taschenrechner auspacken zu müssen. Überprüfen wir das doch mal an der ersten und letzten Alterskohorte:
Alterskohorte 0–19
In der Gruppe der 0–19-Jährigen ist die Mehrheit nicht geimpft. Das ergibt Sinn, da lange Zeit für Kinder unter 12 Jahren kein Impfstoff zugelassen war und Kinder zwischen 5–12 nur geimpft wurden, wenn sie einer Risikogruppe angehörten. Kinder unter 5 wurden so gut wie gar nicht geimpft.
Der größere Wert der Sterberate dieser Alterskohorte (Ungeimpft, Feld “d“) entspricht ihrem Anteil in der Bevölkerung (Feld “IV“). Der Wert von Feld “b” = 8 liegt näher am Feld “d” = 9 als am Feld “c” = 6.
Dieses Ergebnis scheint daher korrekt.
Alterskohorte 80+
In der Gruppe der über 80-Jährigen war die Mehrheit geimpft. Das Verhältnis Geimpfte zu Ungeimpfte ist ca. 6:1. Der Anteil der Geimpften ist höher. Das zugehörige Feld der Sterberate “c” enthält aber den kleineren der beiden Werte (2.884).
Der Wert von Feld “b” (3.404) liegt näher am Wert von Feld “c” (2.884) als am Feld “d” (6.676).
Auch hier scheint das Ergebnis dem Anteil der Geimpften in dieser Alterskohorte zu entsprechen und damit zu stimmen.
Die anderen Alterskohorten dürft ihr selbst durchgehen.
Vade retro Base-Rate-Error
In der ersten Alterskohorte ist nichts auffällig.
Das Verhältnis Geimpfer zu Ungeimpfer ist Pi-Daumen-Mal-Fensterkreuz 3:1. In absoluten Zahlen sind 26 Geimpfte gestorben (Feld “3“) und 114 Ungeimpfte (Feld “4“). Das Verhältnis ist in absoluten Zahlen eher 4:1. Aber ja, ansonsten ist es weitgehend wie erwartet. Es sterben mehr Ungeimpfte, einfach, weil mehr Kinder und Jugendliche ungeimpft sind.
In der Alterskohorte 80+ sieht das ein ‘bisschen’ anders aus.
Hier sind in absoluten Zahlen mehr Geimpfte gestorben (Feld “3“) nämlich 13.013. Aber dennoch haben wir in der Spaltengruppe der Sterberate den höchsten Wert bei den Ungeimpften (Feld “d“) nämlich 6.676.
Okay, kleiner Exkurs. Wie berechnet man die Sterberate pro 100.000 Personen?
Dazu nimmt man die Zahl der Gestorbenen: z.B. die der Geimpften (Feld “3“, 13.013) und teilt sie durch ihren Anteil an der Bevölkerung (Feld “III“, 451.150) und rechnet sie dann auf 100.000 hoch, also x100.000.
Das ergibt gerundet 2884. Das Ergebnis stimmt mit Feld “c” überein.
Nimmt man die Zahl der ungeimpften Gestorbenen (Feld: “4“, 4.785) und teilt sie durch ihren Anteil an der Bevölkerung (Feld “IV“, 71.673) x 100.000 erhält man das Ergebnis 6676 (stimmt mit Feld “d” überein).
Die Sterberate der Ungeimpften ist also höher, weil zwar in absoluten Zahlen weniger Ungeimpfte gestorben sind, aber ihr Anteil an der Bevölkerung auch viel, sehr viel kleiner ist.
Fazit
Sehen wir uns die Fragen von oben nochmal an, können wir aus den Ergebnissen dieser Tabelle folgende Schlüsse mit ziemlicher Sicherheit ableiten.
- Es liegt wahrscheinlich nicht am Lockdown, denn in keiner Alterskohorte liegen die Ergebnisse nahe genug beieinander.
- Die Impfung ist sehr wahrscheinlich wirksam, denn erneut: in keiner Alterskohorte sind sich die Ergebnisse nahe genug.
- Es ist unwahrscheinlich, dass die Impfung ein maßgebliches Gesundheitsrisiko darstellt, denn in jeder Alterskohorte stehen Ungeimpfte schlechter da.
- Es ist absolut plausibel, dass die Impfung schwere Covid-19-Verläufe vermeiden hilft, denn der Effekt ist durch alle Alterskohorten hindurch zu beobachten und wird mit ansteigendem Alter der Kohorten immer deutlicher.
- Ungeimpfte leben gefährlicher.
(Alle Fehler sind meiner inzwischen doch recht großen Müdigkeit geschuldet.)
Man kann auch die Gewichtung einfach nachrechnen:
über die absoluten Zahlen:
140 / 1.728.175 = 8,10 pht
26 / 415.416 = 6,26 pht
114 / 1.312.759 = 8,68 pht
Oder das Verhältniss:
Anteile: 415.416 / 1.728.175 = 24%
8,68 * 0,76 + 6,25 * 0,24 = 8.097
Kommt bei beidem das Selbe raus (wenn man die
Rundung bei den kleinen Raten der ersten Kohorte ignoriert)